1. Präimplantationsdiagnostik (PID) und Genetisches Präimplantationsscreening
(PGS)
Präimplantationsscreening (PGS) muß von der Prämplantationsdiagnostik (PID) unterschieden werden. Indikation zur PID ist ein bekanntes schweres genetisches Leiden, von welchem mit einer gewissen hohen Wahrscheinlichkeit ein Kind betroffen sein kann. Im Rahmen einer assistierten Reproduktion können Blastomeren von möglicherweise mit dem genetischen Defekt behafteten Embryonen untersucht und dann der Transfer von Embryonen vorgenommen werden, die den Defekt nicht aufweisen. In einem neulichen Urteil des BGH in Leipzig wurde festgestellt, daß die PID in ausgewählten Fällen nicht gegen das Embryonenschutzgesetz (EschG) verstößt.
Es war abzusehen, daß eine vehemente Debatte auch mit dem Ruf nach einem gesetzlichen Verbot aufkommen würde. Der Presse ist zu entnehmen, daß die Auffassungen dazu quer durch alle Parteien und Gruppierungen durchaus nicht einheitlich sind.
Unaufgelöst ist hierbei zumindest vom Rechtsempfinden her der Widerspruch, daß die PID mit der Konsequenz der Nichteinnistung des genetisch betroffenen Präimplantationsembryos (in der Regel dann im Stadium der Blastozyste) verboten sein sollte, während nach einer Pränataldiagnose das zukünftige Kind bis in die Fetalperiode hinein abgetrieben werden kann.
Wie so oft, ist es auch hier die Terminologie bzw. Sprachregelung, die weiterhelfen kann. Bekanntlich ist es die „mütterliche Indikation“, die eine Interruptio nach ausführlicher Beratung straffrei stellt. In Analogie dazu dürfte es keine Schwierigkeiten bereiten, die PID mit der Konsequenz des Unterlassens des Embryotransfers aus mütterlicher Indikation zuzulassen.
Ein Streitpunkt wird sicherlich darin bestehen, wie die Entnahme einer Blastomere (einer Zelle des achtzelligen Embryos) zu bewerten ist. Handelt es sich um eine Probebiopsie oder um die Entnahme einer pluripotenten Embryonalzelle, also um einen Embryo, der dann im Verfahren der Diagnose zerstört und somit nach EschG zweckentfremdet verwendet wird. Realistischerweise muß die Entnahme einer Blastomere als Probebiopsie im Rahmen einer indizierten PID betrachtet werden, wie es offenbar auch die Sicht des BGH in Leipzig war. Klonen und verbrauchende Embryonenforschung sind bekanntlich ohnehin nach EschG verboten.
In diesem Zusammenhang können wir mit Ernst Boch hoffen, daß nur in der Überwindung utopischer (radikaler und fundamentalistischer) Geisteshaltung und in der Selbstdisziplinierung zu realistischem Denken eine Hoffnung auf Verbesserung unserer Lebensbedingungen liegt.
Das Genetische Präimplantationscreening (PGS) ist hingegen nicht erlaubt. Die Frage nach einem PGS wird seit dem Urteil zur PID von vielen Kinderwunschpaaren vermehrt gestellt. Im Ausland wurden vor allem unter dem Aspekt einer möglichen Verbesserung der Schwangerschaftsrate diesbezügliche Forschungen durchgeführt. Die Ergebnisse waren enttäuschend: Die Schwangerschaftsrate in Zyklen mit PGS war sogar niedriger als in Kontrollbehandlungen ohne PGS.
Literatur
Korevaar JC.
No beneficial effect of preimplantation genetic screening in women of advanced maternal age with a high risk for embryonic aneuploidy. Hum Reprod. 2008 Dec;23(12):2813-7.
Dies wird und wurde ausführlich in der Kleinen Broschüre und bereits im Sonder-Newsletter Nr. 15 (2010) diskutiert.