Ferticon  
 
Pränataldiagnostik

  Inhaltsverzeichnis

  2.6 Skelett        2.8. Mehrlingsschwangerschaften

2.7. Sonstige Organsysteme

In einzelnen Fällen werden an den Feten Veränderungen diagnostiziert, die sich keinem speziellen Organsystem zuordnen lassen, den Körper als ganzes betreffen bzw. Ausdruck seltener Syndrome sind. Hierzu gehören Geschwülste (Tumoren) im oder am Körper, vermehrte Flüssigkeitsansammlungen in Körperhöhlen und in der Haut (Hydrops fetalis) sowie Fehlbildungen komplexer Natur.

Angeborene Tumoren kommen selten vor, können an den unterschiedlichsten Körperstellen auftreten und unterschiedlichste Formen und Strukturen aufweisen. Häufig passen sie zu keinem speziellen Krankheitsbild bzw. stimmen nicht mit dem Erscheinungsbild eines Syndroms überein, teilweise gelingt jedoch eine organspezifische Zuordnung. Trotz dieser Schwierigkeiten ist oftmals eine richtige Diagnose und der Versuch einer invasiven Abklärung für die Prognoseabschätzung und die Geburtsleitung von größter Bedeutung.

Kommt es in der frühen embryonalen Entwicklung durch kleine Nekrosen zur Aufsprengung des Furchungskeims, entwickeln sich an diesen Stellen sogenannte Teratome. Diese bestehen aus allen drei embryonalen Keimblättern und sind am häufigsten an beiden Körperpolen, besonders im Bereich des Steißes lokalisiert. Durch ihre mitunter extreme Größe stellen Teratome häufig ein Geburtshindernis dar. Trotz des oftmals dramatisch wirkenden Aussehens besitzen sie eine gute Prognose bei rascher chirurgischer Versorgung.

Weitere typische, vorgeburtlich differenzierbare Tumoren finden sich in den Organen des Brustkorbes. Herztumoren (Abb.23) sind äußerst selten und können bei entsprechender Größe schon im Mutterleib zu einer Herzinsuffizienz führen. Tumoröse Veränderungen des Lungengewebes bedingen durch eine Gefäßkompression einen mitunter massiven Erguß des Rippenfells, welcher wiederholt vorgeburtlich durch Punktion entlastet werden muß. In jedem Falle ist bei Geschwülsten des Herzens bzw. der Lungen eine Schwangerschaftsbetreuung und Entbindung in einem darauf spezialisierten Zentrum notwendig. Angeborene Zysten der Eierstöcke (Abb. 24) sollten im Verlaufe der Schwangerschaft beobachtet und nach der Geburt weiter abgeklärt werden.

Abb. 23
Abb.23 Herztumor (Rhabdomyom) 26. Schwangerschaftswoche

Abb. 24
Abb.24 Zyste am Eierstock, 25. Schwangerschaftswoche

Ein Hydrops des Feten kann verschiedene Ursachen haben (Tab.3).

In der immunologischen Gruppe hat die Unverträglichkeit des Rhesusfaktors eine herausragende Bedeutung. Es handelt sich hierbei um eine familiär auftretende Erkrankung des Fetus und des Neugeborenen, die durch die Einwirkung mütterlicher Antikörper auf die roten Blutkörperchen des Kindes hervorgerufen wird. Voraussetzung ist eine Bildung von Antikörpern bei der Mutter mit negativem Rhesusfaktor, welche in der Mehrzahl nach einem Übertritt von fetalen roten Blutkörperchen durch die Plazentarschranke in einer vorangegangenen Schwangerschaft mit Rhesus-positivem Kind ausgelöst wird. Diese Antikörper können in der folgenden Schwangerschaft durch die Plazenta in den kindlichen Kreislauf gelangen und dort die roten Blutkörperchen zerstören. Es kommt somit beim Fetus zur Blutarmut (Anämie) und infolge dessen zur Herzinsuffizienz mit Ausbildung eines Hydrops fetalis. In den letzten Jahren konnte in Deutschland diese Erkrankung durch eine generelle Sensibilisierungsprophylaxe mit Verabreichung von Rhesus-Antikörpern in und gegebenenfalls nach jeder Schwangerschaft weitestgehend zurückgedrängt werden (etwa 100 Fälle pro Jahr). Beim Auftreten eines Rhesuskonfliktes bei noch nicht vorhandener Überlebensreife des Kindes macht sich eine bzw. wiederholte Blutübertragungen mittels Nabelschnurpunktion notwendig. Ansonsten stellt die vorzeitige Entbindung mit eventuell notwendig werdenden Austauschtransfusion des Neugeborenen die Therapie der Wahl dar.

Immunologischer HydropsNichtimmunologischer Hydrops
fetalemütterlicheplazentare
  • Unverträglich-
    keit des Rhesus-
    faktors
  • Blutgruppen-
    unverträglichkeit
  • Irreguläre Antikörper im Blut der Mutter
  • Anämie-chronische Transfusion zw. Mutter u. Feten bzw.Mehrlingen Thalassämie
  • Herzerkrankung
    • Rhythmusstörung
    • Herzfehler
    • Herztumor
    • Veränderungen des Herzmuskels
  • Lungenerkrank.
    • Fehlentwicklungen d.Lungengewebes
    • Lungentumor
    • Zwerchfellhernie
  • Infektion
    -genetische Erkrankungen
  • Syndrome
  • Infektion
  • ”Schwangerschafts-
    vergiftung”
  • Verschluß der Nabelvene
  • Plazentatumor Kurzschlußverbindungen zw.d. Plazentagefäßen (Shunts)

Tab.3 Ursachen für Hydrops fetalis

Der ”nicht immunologische Hydrops fetalis” (NIHF) tritt in einer Häufigkeit von 1: 3000 Geburten auf und besitzt eine kindliche Sterblichkeitsrate von über 50 %.

Alleine die Vielfältigkeit der Ursachen für den NIHF verdeutlichen die Schwierigkeiten bei Abklärung und Behandlung desselben. Diagnostik und Therapie der einzelnen organischen und genetischen Fehlentwicklungen sind analog zu den in den einzelnen speziellen Abschnitten erläuterten.

Bei den Infektionen in der Schwangerschaft spielen bei der Herausbildung eines NIHF die Ringelröteln eine bedeutende Rolle (Abb.25). Kommt es dabei zur Erkrankung des Fetus, wirken die Viren aggressiv auf dessen rote Blutkörperchen. Die Folgen sowie die Therapieschemata sind die gleichen wie beim Rhesuskonflikt. Allerdings ist der Krankheitsverlauf um vieles rasanter und die vorgeburtliche Sterblichkeitsrate entschieden höher.

Komplexe organische Fehlbildungssyndrome sind oftmals mit genetischen Veränderungen verknüpft, so daß eine Abklärung mittels Fruchtwasser- bzw.Nabelschnurpunktion erfolgen muß. Bei unauffälliger Genetik gestaltet sich die Zuordnung zu einem bestimmten Syndrom mitunter schwierig, was sich vor allem auf die Prognoseabschätzung für die Lebensfähigkeit und -qualität des zu erwartenden Kindes auswirkt. In diesen Fällen sollte ein erfahrener Diagnostiker konsultiert werden.

Abb. 25
Abb.25 Hydrops fetalis bei Ringelrötelninfektion 22. Schwangerschaftswoche

  2.6 Skelett        2.8. Mehrlingsschwangerschaften
  Newsletter
  abonnieren?

Gerhard Leyendecker